TANGO PRODUC­TIONS
Ulrike & Eckart Haerter
Veröffentlichungen zur Kultur des Tango Rioplatense (Tango Argentino)


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Elsa Morán 1931-2019



Foto Foto © Diario de la República Am 15. April 2019 ist Elsa Morán gestorben. Die grossartige und ungemein sympa­thische uruguay­ische Tango­sängerin wurde 87 Jahre alt. Wir haben es zwei Monate zu spät erfahren, denn unsere Verbin­dungen nach den beiden Tango­metro­polen am Rio de La Plata sind etwas lockerer geworden seit wir unsere tänzerische Karriere beenden mussten. Doch umso stärker wirken unsere Erinne­rungen nach an diese Zeit unseres Lebens, in der auch Elsa Morán einen Platz in unseren Herzen einnimmt seit wir sie zum ersten Mal in Montevideo live auf der Bühne erlebt haben. Sie war eine der beiden grossen, Tango­sängerinnen, die den Tango in Uruguay jahrzehntelang massgeblich mit geprägt haben. Die andere gran dama des Tangos ist die fast gleichaltrige Olga Delgrossi. Beide bildeten mit ihrer über­ragenden Interpretations­kunst jahrzehnte­lang die Spitze des gesungenen Tangos in Uruguay mit Ausstrah­lung in die inter­nationale Tangowelt. Elsa Moráns Stimme war voluminös, kraftvoll und zugleich gefühlvoll. Eine ideale Tango­sängerin, deren Auftritte immer einen starken, nachhaltigen Eindruck hinterliessen.

Wir hatten das Glück und die grosse Ehre, in mehreren Jahren in Monte­video Auftritte zu tanzen. Auf diese Weise hat es sich ergeben, dass wir auch mit Elsa Morán und Olga Delgrossi persönliche Erlebnisse aus der Bühnen­perspektive verbinden.

Der Cerro ist der "Hügel" von Montevideo, die höchste Erhebung der Stadt, aber man muss schon genau hingucken, um die Stelle als Erhebung wahr­zunehmen. Im Teatro Florencio Sánchez, das im Stadtteil Cerro gelegen ist, hatten wir einen erwähnens­werten Auftritt, denn Star des Abends war Elsa Morán. Für ihre Show hatte sie ein Tango­orchester und ein Tanzpaar mitgebracht, Alain und Adriana, beide ausge­sprochen nett, die sich backstage mit uns bekannt­machten.

Es war vorgesehen, dass Ulrike und ich im ersten Teil des Abends einige Tangos und Milongas nach CDs tanzen, denn es war ja das erste persönliche Zusammen­treffen mit der Sängerin und dem Live-Orchester. Während unseres Auftritts sahen wir, dass Adriana und Alain aus der Kulisse heraus zuschauten. Nach dem Auftritt warteten wir in der Garderobe auf das Ende der Vorstellung, um ins Hotel zurückgebracht zu werden. Doch kurz danach erschien ein Mitarbeiter der Regie in der Garderobe und bat uns, ganz schnell wieder auf die Bühne zu kommen, denn Elsa Morán wolle uns einladen, zu ihrer Musik aufzutreten. Alain und Adriana sähen sich wegen einer unerwarteten Unpässlichkeit ausserstande zu tanzen.

Elsa Morán befand sich bereits auf der Bühne und hatte schon mehrere Tangos gesungen. Als Ulrike und ich die Bühne betraten, war der Beifall des Publikums betont und spürbar herzlich, und was dann folgte, war wieder einer dieser wunderbaren, ungeprobten Auftritte wo alles stimmt. Livemusik und tänzerische Improvisation, das lebendige Zusammen­wirken zwischen Sängerin, Musikern, Tänzern und nicht zuletzt auch dem Publikum. Wahrhaftiger Tango, dessen Entstehen das Publikum miterleben konnte. In einer Gesangspause, als nur das Orchester spielte, sahen wir zufällig, wie Elsa Morán mit dem Mikrofon in der Hand, unserer Tanzimpro­visation strahlend zuschaute. Der Schlussapplaus des Publikums kam höchst temperament­voll.

Im Foyer des Theaters erwartete uns ein Kamerateam des argentinischen Tangosenders "Solo Tango" aus Buenos Aires, das im Saal alles gefilmt hatte. Jetzt wurden noch die Künstler des Abends interviewt. Später erfuhren wir, dass Sequenzen unseres Auftritts in Buenos Aires ausgestrahlt worden sind.

Am folgenden Samstag hatte Elsa Morán noch einen Auftritt vor dem Mercado del Puerto, dem alten Markt am Hafen. Der Hafenmarkt ist ein berühmter und beliebter Wochenend-Treffpunkt der Montevi­deaner, wo man draussen unter Sonnen­schirmen an Tischen sitzen kann oder drin an unzähligen Theken bei riesigen Mengen Rindfleisch, Rotwein und Salat. Natürlich wird das Fleisch auf lodernden Holzkohlefeuern gegart. Draussen in der Sonne treten Tangosänger, Musiker und Tänzer auf, kurz: hier pulsiert das pralle Tangoleben.

Für Elsa Morán und die Musiker war eine hohe Bühne aufgebaut, damit sie von überall her gut gesehen werden konnten. Und auf der Bühne tanzten Alain und Adriana, die kürzlich im Teatro Florencio Sánchez ihren Auftritt absagen mussten.

Als Elsa Morán uns in der Menge entdeckte, winkte sie uns von oben strahlend zu - und wir winkten zurück. Ein unvergesslicher Augenblick. Es ist diese familiäre Herzlichkeit unter den Tangokünstlern in Montevideo, die einen hier so leicht heimisch werden lässt.

Diese Erinnerung bleibt und die Gewissheit, dass Elsa Morán ein langes, erfülltes Tangoleben vergönnt war.

Foto © Diario La República, Montevideo

Eckart Haerter

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