Göttinger Tango-Info Nr. 46 - Oktober 2010

Editorial

Argentinier im In- und Ausland feiern in diesem Jahr den 200sten Jahrestag der "Mai-Revolution". Es war der 25. Mai 1810, als die Bürger in Buenos Aires einseitig ihre Unabhängigkeit von Spanien erklärten. Allerdings bedurfte es dann noch einiger Jahre (nicht ohne bewaffnete Kampfhandlungen), bevor das Ziel mit der Unabhängigkeitserklärung vom 9. Juli 1816 in Tucumán endgültig erreicht wurde.

Vom argentinischen Generalkonsulat erhielten Ulrike und ich die ehrenvolle Einladung, in Hamburg an der 200-Jahrfeier der Mai-Revolution teilzunehmen. Über diese schöne Veranstaltung habe ich im Göttinger Tango-Info Nr 42 berichtet.

Deutschland ehrt Argentinien in diesem Jahr insbesondere durch den Ehrengast-Status auf der Frankfurter Buchmesse 2010. Für das Göttinger Tango-Info ein willkommener Anlass, dort die vorliegende Sondernummer zu präsentieren. Sie ist dem argentinischen Dichter, Schriftsteller, Journalisten und Literaturkritiker Alberto Mario Perrone gewidmet.

Der Tango lebt. Das beweisen einmal mehr die Tangodichtungen von Alberto Perrone. Für seine Tangos und Gedichte muss man sich Zeit nehmen. Vielleicht sollte man sie lesen, wie man ein abstraktes Gemälde betrachtet. Unvoreingenommen und nach allen Seiten hin offen. Sicher ergeben sich dabei zuweilen durchaus unterschiedliche Ansichten und verschiedene Möglichkeiten der Interpretation.

Natürlich können die hier abgedruckten Texte nur Splitter aus dem Werk Alberto Perrones sein, zumal das Göttinger Tango-Info keine literarische Zeitschrift ist und nur zu besonderen Gelegenheiten einmal in einem grösseren Umfang als 1 Blatt DIN-A4 erscheint. Wir denken aber, dass wir trotz des begrenzten Raumes eine Künstlerpersönlichlkeit vorstellen konnten, die im Kulturphänomen Tango ein Segment gestaltet, das man in Deutschland bisher noch nicht kannte. Auch dies ist authentischer Tango direkt aus Buenos Aires. Nur das Schlussgedicht "Oktober", das so gut in die Zeit der Frankfurter Buchmesse passt, gehört nicht direkt dem Genre Tango an, wenngleich auch hier die Tangostimmung unverkennbar ist.

Naturgemäss war die Übersetzung der Texte eine nicht geringe Herausforderung. Was wir auf den folgenden Seiten vorlegen, sollte daher als der Versuch einer Annäherung verstanden werden. Dass dieser Versuch nicht zum Scheitern verurteilt war, verdanken wir vor allem Klaus Andriessen in Buenos Aires, der seine Sprachkenntnisse, sein Einfühlungsvermögen und seine freundschaftliche Bekanntschaft mit dem Dichter gern in den Dienst der Sache gestellt hat. Ihm sei an dieser Stelle ganz besonders gedankt. Auch Nicolás Piaggio, Buenos Aires/Göttingen, danken wir für seine stete Hilfsbereitschaft und sachkundige Unterstützung.

Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir mit dem vorliegenden Sonderheft einen anregenden Start in den Oktober. Zeugt doch auch dieses Heft von der unerschöpflichen Vielfalt der Tangokultur, in der es immer wieder überraschend Neues zu entdecken gibt.

Eckart Haerter

Alberto Perrone

Alberto Mario Perrone, geboren 1944 in Buenos Aires, ist Dichter, Schriftsteller, Literaturkritiker und Journalist. Als in der argentinischen Hauptstadt Geborener, ist er ein waschechter Porteño (etwa: "Hafenbewohner"), wie sich die Einwohner von Buenos Aires stolz nennen. Er studierte an der Fakultät für Philosophie und Literatur der Universität seiner Heimatstadt und gehört heute zu den bekanntesten Intellektuellen Argentiniens.

Perrone hat unter anderem mehrere Gedichtsammlungen, Künstlerbiographien und einen Roman veröffentlicht.

Sein neuestes Werk ist das "szenische Gedicht" Azares del Quijote y Gardel ("Schicksalhafte Begegnungen zwischen Quijote und Gardel"). Ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Text und Tanz, das auf seiner Idee basiert und zu dem er den Text verfasste. Es handelt von einer imaginären Begegnung zwischen der Figur des Don Quijote und dem legendären Tangosänger Carlos Gardel. Im August 2009 erlebten die Azares (in der Form als szenisches Gedicht) ihre gefeierte Uraufführung im Nationaltheater Cervantes in Buenos Aires.

Als Porteño ist Perrone in der Weltmetropole des Tangos aufgewachsen. So verwundert es kaum, dass diese faszinierende Kultur wie ein Leitthema sein gesamtes Werk durchzieht.

Sein Debüt in deutscher Sprache erlebte Perrone im Göttinger Tango-Info. In der Nr. 11.2007 erschien sein Gedicht auf den grossen Tangodichter Homero Manzi, "Homero y la Pesadilla" (Homero und der Albtraum), das auch in die vorliegende Nummer aufgenommen wurde.

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TANGO PRODUCTIONS Ulrike & Eckart Haerter